Der Titicacasee ist die größte Südwasserreserve Südamerikas und der höchste beschiffbare See der Welt. Er liegt in 3800 m Höhe und teilt sich zwischen Peru und Bolivien auf. Mit mehr als 8.000 Quadratkilometern ist er dreizehn mal so groß wie der Bodensee.

Es gibt 38 Inseln. Die größte und heiligste Insel des Sees ist die Isla del Sol. Sie liegt eine Bootsstunde vom bolivianischen Copacabana entfernt. Hier soll der Sonnengott Inti seine beiden Kinder auf die Erde gelassen haben, um das Inkareich zu gründen.
Heute zählt das vierzehn Quadratkilometer große Eiland knapp 2000 Einwohner. Leider sind die Bewohner der einzelnen Gemeinden seit einem Jahr so verfeindet, dass unsere geplante Inseldurchquerung mit Zelt unmöglich ist. Das erfahren wir aber erst, als wir im friedvoll anmutenden Yumani im Süden der Insel ankommen.

Ein schmaler Pfad führt in den kleinen Ort auf 4000 Metern Höhe. Unzählige Esel, Alpacas und Schafe stehen auf kleinen Wiesen. Insekten summen und ab und an steht ein angebundenes Schwein am Wegesrand. Kleine Felder mit Quinoa und Kartoffeln ziehen sich über die Insel, die in mühevoller Handarbeit bestellt werden. Fischer ziehen schneeschuhgroße Forellen aus dem See. Neben Fischfang und Landwirtschaft ist der Tourismus eine wichtige Einnahmequelle. Zahlreiche Cafés und Unterkünfte sind im Yumani zu finden. Ein charmantes Restaurant steht versteckt in einem Eukalyptuswald. Davor breitet sich der tiefblaue Titicacasee aus. Ein idealer Ort, um zu Zelten. Die Restaurantbesitzer Lydia und Pablo kochen mit Sonnenenergie und zaubern ihren Gästen frische hausgemachte Pizza oder frische Forelle auf den Tisch. Licht am Abend spenden Kerzen. Damit die Zeit des Wartens nicht zu lang wird, gibt es guten Wein und einige Spiele. Schnell füllen sich am Abend die kleinen Tische. Gäste aus aller Welt kommen mittlerweile in das beliebte Restaurant.

Hagel auf der Sonneninsel
Ein plötzliches tiefes und sekundenlanges Donnergrollen reist mich aus dem Schlaf. Es folgt ein Blitz. Das Zelt leuchtet taghell auf. Ein erneutes Grollen schiebt sich über den See und Blitze zucken durch die dunkle Nacht. Erst von Westen, dann auch von Osten. Ich bin angespannt und verkrieche mich immer tiefer in meinen Schlafsack. Zwischendurch sind immer wieder merkwürdige Explosionen zu hören. Regen prasselt auf das Zeltdach und geht in Hagel über. Es ist 5 Uhr morgens, als plötzlich auch von hinten ein tiefes Grollen zu hören ist. Es reicht! Zwei Gewitterfronten habe ich 30 Minuten lang versucht zu ignorieren. Eine dritte Gewitterfront inmitten des Titicacasees ist mir eine zu viel. Ich denke nur noch an die Flucht aus dem Zelt und an ein blitzsicheres Dach über dem Kopf. Ich hoffe, dass die Türen in unserem Lieblingsrestaurant nicht verschlossen sind und renne los, als der Hagel kurz aufgehört hat. Ich rüttele an der ersten Tür: verschlossen. Ich rüttele an der Toilettentür: verschlossen. Regen und Hagel setzten wieder ein. Plötzlich leuchte ich mit meiner Stirnlampe Pablo, dem Restaurantbesitzer ins Gesicht. Auch er ist auf den Beinen, um seine Solarpanelen zu überprüfen. Er schließt mit einem Lachen die Tür zum Restaurant auf. Wir sind in Sicherheit. Uff. Ich zittere und erkundige mich, ob das normal ist. Er lacht und meint, dass es nur ein kleines Gewitter sei, die Ausläufer vor der Trockenzeit. Die großen Gewitter sind im Sommer, Januar und Februar. Er zeigt auf eine der mit Klebeband zusammengehaltenen Fensterscheiben im Restaurant. Das richten die großen Gewitter an. Notiz an mich, denke ich bei mir: Fahre niemals im Sommer zum Titicacasee.


Das Gewitter sollte noch vier weitere Stunden anhalten. Am Morgen bedeckt eine weiße Hagelschicht die Insel. Tagsüber scheint die Sonne und taucht die Insel wieder in eine friedliche Atmosphäre. Doch die nächsten Wolkentürme bauen sich schon wieder auf…
Die Explosionen übrigens, seien Wege der Kommunikation, meinte Pablo. Im Internet finden wir außerdem noch folgende Informationen zu Insel:
„Zur Zeit ist es nicht möglich die anderen Teile der Insel zu besuchen. … Jüngst haben Nordinsulaner Unterkünfte auf dem zentralen und einem heiligen Teil der Insel gebaut. Die Hütten wurden daraufhin mit Dynamit hochgesprengt. …“
Nach drei Tagen Insel geht die Reise zurück nach La Paz.