
Cochrane, Aysén: Regen klopft auf das Wellblechdach des kleinen und gemütlichen Unterschlupfes des Zeltplatzes. Eine Art Refugio, welches aus verschiedenen dünnen Brettern zusammengenagelt ist und unter dem sich alle gestrandeten Reisenden zu einem Tee, Café oder Mate treffen. In der Ecke steht ein kleiner Bollerofen auf dem Wasser in einem Kessel vor sich hinkocht. Ab und an tropft es durch die Löcher im Dach. Draußen auf der Wiese sitzt eine Katze. Patagonische Katzen scheinen sich nicht viel aus Wasser zu machen und ignorieren das kühle Nass des Himmels einfach. Bisher war das für sein extremes Wetter berüchtigte Patagonien gnädig. Viel Sonnenschein und kaum Regen. Soll doch dieser Abschnitt bereits zu einem der regenreichsten Gebiete der Region gehören. Stattdessen hat sich ein Sonnentag an den anderen gereiht. Die Sonneneinstrahlung ist auch in Patagonien extrem hoch und eine gute Sonnenbrille enorm wichtig! Kommt erst einmal die Sonne heraus, herrscht gleisendes Licht, das Thermometer klettert schnell auf über 30 Grad und ich zerfließe in der Sonne. Gesellt sich dann aber einer der berühmten patagonischen Winde hinzu, erstarre ich schnell wieder zu einem Eiszapfen. Ich finde, dass nirgendwo sonst auf der Welt das gleichzeitige Tragen von kurzer Hose und Daunenjacke so ihre Berechtigung haben, wie hier am Südende der Welt.

Carretera Austral: Die Carretera Austral durchzieht die Region Aysén, in der ich bereits vor vier Jahren gewesen bin. Die teils asphaltierte und namenhafte Straße beginnt in Puerto Montt und endet in Villa O’Higgins. Teilstrecken müssen mit der Fähre zurückgelegt werden, da die Straße 2 Mal abrupt im Meer endet. Allein 24 h hat der Bus für ca. 520 km bis Coihaique, das Zentrum der Region, benötigt. Immer mehr Strecken werden asphaltiert, was besonders die zahlreichen und vielen mutigen Radfahrer erfreuen sollte, die hier unterwegs sind.

Trekking Cerro Castillo: 100 km südlich von Coihaique befindet sich der Nationalpark Cerro Castillo mit einer wunderschönen 4-tägigen Trekkingtour, die vor allem bei den Chilenen selbst beliebt ist und die ich schon vor 4 Jahren ins Auge gefasst hatte. Bis abends – die Tage beginnen 6 Uhr und enden 22 Uhr – füllen sich die kleinen ausgewiesenen Zeltplätze unter grünen Südbuchen schnell auf 40 Personen. Beeindruckende Ausblicke auf die Gletscher und die Zacken des Cerro Castillo – die wohl schönste „Schutthalde“ Patagoniens, wird sie auch genannt – bekommt man dafür. Die Sonne scheint (fast schon erbarmungslos) vom Himmel. Wer hätte gedacht, dass die zahlreichen Flussquerungen durch eiskaltes Gletscherwasser beim Trekking in Zentralpatagonien eine willkommene Abwechslung darstellen?


Idylle pur. Dann, plötzliches lautes Fluchen und Schimpfen vom Nachbarzelt. Eine Schar Pferdebremsen hat einen Wanderer ins Visier genommen. Diese werden bei diesem Sommerwetter zur echten Plage, wenn der Wind sich gelegt hat. Pferdebremsen haben sich scheinbar zu Aufgabe gemacht, im „Rudel“ um den Kopf müder Trekker herumzuschwirren und sich abwechselnd und mit einer scheinbar nie enden wollenden Ausdauer in den Schultern der Wanderer festzubeißen. So muss auch ich immer wieder dran glauben. Mal versuche ich sie zu ignorieren, manchmal wegzuschnipsen oder zu vertreiben, was in ein hilfloses Umherwedeln mit meinem Handtuch endet und letztendlich völlig nutzlos scheint. Einziger Trost: anderen Trekkern geht es ähnlich. Überall hört und sieht man wie aus dem Nichts, fluchende und mit den Armen wedelnde Wanderer. 🙂

Plötzlicher Wind beim Abstieg vom Pass. Herrlich. Habe ich doch so oft zu Hause vom patagonischen Wind geträumt. Doch kann dieser hier zu einer echten Herausforderung werden. Der ohnehin anspruchsvolle Abstieg mit Trekkingrucksack über Block und Geröll wird noch etwas anspruchsvoller durch heftige Winde und überraschende Böen, die mich wie von Zauberhand in jede Richtung bewegen. Keine 5 Minuten später, erfasst eine Windböe eine andere Trekkerin und wirft sie einfach um. Meine Nase läuft, aber auch das wird an diesem Tag vom Wind einfach weggeweht.

Zurück in Cochrane: Der Regen hat nun aufgehört und langsam kämpft sich die Sonne wieder durch die Wolken. In den nächsten Tagen geht es zum Ende der Carretera Austral nach Villa O‘ Higgins und von dort durch die Hintertür nach El Chaltén.
Wunderbar, deine Beschreibungen! Man kann soooo seeehr mit dir fühlen 🙂
GROßARTIG